Bericht über die Besuche der Kernstadtgemeinden von Bad Nauheim und Bad Vilbel
So manches Gute liegt so nah …
Warum Besuche zwischen Gemeinden eine rundum gute Idee sind
13 Hauskreise, 40 Gemeindemitglieder auf Reise in Indien, ein „Was-dir-gut-tut“-Wochenende mit mehr als 120 Gemeindemitgliedern zum ersten Advent in der Rhön, drei Jahre Vorbereitung der Jugendlichen auf die Konfirmation, sechs Gemeindebands, von denen jeweils eine an jedem Sonntag den Gottesdienst mitgestaltet, um 17 Uhr am gleichen Sonntag dann mehr als 100 Leute in einem Gottesdienst, der „Kirche anders“ heißt – wo es das alles gibt? In der Christuskirchengemeinde in Bad Vilbel. Und woher wissen wir das alles? Von einem Besuch in dieser Gemeinde am ersten Novemberwochenende.
Zugegeben: Diesen Besuch haben wir uns nicht selbst ausgedacht – das Dekanat hat für dieses Jahr die sogenannte Gemeindevisitation ausgerufen und dabei die Bad Vilbeler Christuskirchengemeinde und unsere Gemeinde zu einem Paar gemacht. Eine weise Entscheidung, wie sich schnell zeigte, denn die beiden Kirchengemeinden sind in etwa gleich groß (Bad Vilbel ein wenig kleiner), die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter ebenso, und auch das städtische Umfeld mit weiteren Gemeinden in unmittelbarer Nachbarschaft ist vergleichbar.
Und so kam es also zu den beiden Besuchswochenenden: Anfang Oktober war eine Kommission aus Bad Vilbel bei uns zu Gast, und vier Wochen später machten sich Bad Nauheimer Gemeindemitglieder für ein Wochenende nach Bad Vilbel auf. Weil beide Gemeinden so viele unterschiedliche Aktivitäten zu bieten haben und weil beide großes Interesse am Tun der jeweils anderen zeigten, waren die Wochenenden von Freitagnachmittag bis Sonntagabend vollgepackt mit Aktivitäten und also ziemlich anstrengend. Das spielte aber keine Rolle, denn von der ersten Minute an entwickelte sich ein sehr lebhafter, offener, von Neugier getriebener, von Empathie getragener und doch auch kritischer Austausch zwischen den Vertretern der beiden Gemeinden. Die Themenliste war lang und konnte doch nur einen kleinen Teil des Gemeindelebens abbilden: Wir Bad Nauheimer nahmen beispielsweise an einem Hauskreis teil, lernten viel über die Gebäudesituation in Bad Vilbel (die viel weniger komfortabel ist als unsere), verfolgten ein Vorbereitungstreffen für das demnächst anstehende „Was dir gut tut“-Wochenende, ließen uns über das Konfi-Programm der Bad Vilbeler berichten, besuchten drei ganz unterschiedlich gestaltete Gottesdienste, um mal die wichtigsten Programmpunkte zu nennen.
Die Bad Vilbeler bewunderten unseren Garten mit der großartigen Aussicht (und ließen sich dort den Flammkuchen gut schmecken), waren ein wenig neidisch auf unsere vielen Gemeinderäume, lobten die Orgel-Musik im Sonntags-Gottesdienst, waren erschrocken über den hohen Aufwand, den die Arbeit in den Seniorenheimen für die Pfarrerinnen bedeutet und hatten ihrerseits viel Gelegenheit, sich mit uns über Gemeindestrukturen, Öffentlichkeitsarbeit, die Gewinnung Ehrenamtlicher und die Arbeit mit Flüchtlingen auszutauschen, um auch hier nur einige Punkte aufzuführen.
Die überaus gute, von Anfang an freundschaftliche Atmosphäre konnte nur deshalb entstehen, weil es nirgendwo um eine Bewertung ging, weil zu keinem Zeitpunkt eine Unterteilung in Gutes und Schlechtes das Ziel der Unternehmung war. Schauen, was andere Gemeinden so machen, Anregungen aufnehmen und neugierig darauf sein, was einem Besucher von außen auffällt: Das war es, was die beiden Wochenenden von Anfang bis Ende bestimmte.
Zu den Ergebnissen dieser Wochenenden gehört eine an die zehn Seiten lange Liste mit Dingen, die uns in Bad Vilbel aufgefallen sind und über die es sich lohnt, nachzudenken: Was davon wäre vielleicht auch für unsere Gemeindeaktivitäten eine Bereicherung? Manches müsste vielleicht angepasst werden, und einiges wird wohl auch nicht zu unserer Gemeinde und den Menschen, die in ihr leben, passen. Dabei geht es keineswegs nur um große Fragen, sondern auch um vermeintliche Kleinigkeiten, etwa die in Bad Vilbel geübte Tradition, gleich am Beginn eines Gottesdienstes eine Kerze für die Verstorbenen anzuzünden (und nicht erst im Rahmen der Fürbitten). Manches haben uns auch die Bad Vilbeler mit auf den Weg gegeben, zum Beispiel die Anregung, den Garten noch öfter für Gemeindeaktivitäten zu nutzen oder die Ankündigungen für unsere verschiedenen Gottesdienste farblich stärker voneinander abzugrenzen.
An Gesprächsthemen wird es dem Kirchenvorstand und den hauptamtlichen Mitarbeitern also für die absehbare Zukunft sicher nicht mangeln, und manche Diskussion über neue Ideen sollten wir auch hier im Gemeindebrief und mit Ihnen gemeinsam führen. Denn auch das war von Anfang an klar: Letztlich geht es darum, unseren christlichen Glauben noch sichtbarer und für noch mehr Menschen erlebbar zu machen. Sich darauf zu freuen, ist nicht das schlechteste Ergebnis von zwei anstrengenden Wochenenden. Und eines scheint auch klar: Für den nächsten Austausch mit unseren christlichen Geschwistern in Bad Vilbel brauchen wir sicher keine Anregung des Dekanats mehr.
Axel D. Angermann