kleine Schriftgröße normale Schriftgröße große Schriftgröße
01.09.2025

Geistliches Wort

Sophie-Lotte ImmanuelSophie-Lotte Immanuel

Unsere Pfarrerinnen und Pfarrer kommen hier im Wechsel zu Wort. Somit können Sie sich als Leser aus unterschiedlichen Perspektiven der Kirchengemeinden in unserer Stadt und deren Ortsteilen anregen lassen.

Jesus begegnet in der Bibel vielen verschiedenen Menschen. Er wendet sich ihnen zu oder setzt sich kritisch mit ihren Anfragen auseinander. Es gibt nicht besonders viele Berichte, die von Gesprächen mit Frauen erzählen. Eine ist aber besonders eindrücklich: Jesus begegnet einer Samaritanerin an einem Brunnen, und die beiden unterhalten sich über Durst und was den Durst der Seele stillt.

Auch ich habe schon darüber gepredigt, dass die beiden sich auf mehreren Ebenen fremd sind: sie stammen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, er ist ein Mann und sie eine Frau- beide sind sie alleinstehend. Es gibt viele Gründe, warum eine Unterhaltung zwischen den beiden unwahrscheinlich ist. Die Samaritanerin fragt sogar: „Wie, du, ein Jude, erbittest etwas zu trinken von mir, einer Samaritanerin?“

Es wird oft hervorgehoben (auch ich komme mir beim Predigen manchmal so vor, als hätte ich das schon zum tausendsten Mal erzählt), dass Jesus sich denen zuwendet, die am Rande stehen. Ich denke manchmal, er fühlt sich sogar besonders zu ihnen hingezogen. Was bei den einen sichtbar ist- ihr gesellschaftlicher und ökonomischer Status, ihre Krankheiten oder so manches Fehlverhalten- ist bei dem anderen weniger deutlich zu erkennen. Aber ich denke, Jesus ist mit einem tiefen Gefühl von Fremdheit durch sein Leben gegangen. Oft wird er nicht verstanden, eckt an, weiß schon wie seine Geschichte ausgehen wird. Selbst gegenüber seiner eigenen Mutter verleugnet er die innige Beziehung zu ihr, die man vermuten könnte (Joh 4,2).

Und wie so oft liegt für mich das Beeindruckende an Jesu Handeln darin, dass er seine eigene Fremdheit nicht übertönt oder verleugnet. Sie wird ihm zur Quelle seiner Empathie. Er nutzt sie nicht als Grenze zu anderen, sondern als Brücke. Er sagt auch zu seinen Jüngern und Jüngerinnen: „Was ihr getan habt an meinen geringsten Brüdern, das habt ihr an mir getan!“ 

Ich glaube, jeder und jede von uns kennt dieses Gefühl: nicht dazuzugehören, sich einsam zu fühlen und fremd im eigenen Leben. Was wäre, wenn wir das nicht als isolierend empfinden würden, nicht als beschämend- sondern als einen existentiellen Daseinszustand, der uns mit den Menschen um uns herum verbindet? Die Frage nach fremd und zugehörig, nach innen und außen stellt sich dann nicht mehr, glaube ich. Vielleicht ist Ihnen ja schon die aktuelle Impulspost ins Auge gefallen. Auf den Plakaten steht: „Du bist nicht allein allein.“ Ja, ich glaube: das hätte Jesus auch sagen können.

TOP

© 2025 Die Evangelischen Kirchengemeinden in Bad Nauheim  ·  Kontakt