Vorspiel
Begrüßung
Votum „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“
Lied: Und ein neuer Morgen, EG+ 145
Psalm: Ps 119, EG 748 - im Wechsel gebetet
Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des HERRN wandeln!
Wohl denen, die sich an seine Zeugnisse halten, die ihn von ganzem Herzen suchen,
die auf seinen Wegen wandeln und kein Unrecht tun.
Wenn ich schaue allein auf deine Gebote, so werde ich nicht zuschanden.
Ich danke dir mit aufrichtigem Herzen, dass du mich lehrst die Ordnungen deiner Gerechtigkeit.
Deine Gebote will ich halten; verlass mich nimmermehr!
Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.
Zeige mir, HERR, den Weg deiner Gebote, dass ich sie bewahre bis ans Ende.
Meine Seele verlangt nach deinem Heil; ich hoffe auf dein Wort.
Meine Augen sehnen sich nach deinem Wort und sagen: Wann tröstest du mich?
Wenn dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elend.
Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.
Erhalte mich nach deinem Wort, dass ich lebe, und lass mich nicht zuschanden werden in meiner Hoffnung.
Stärke mich, dass ich gerettet werde, so will ich stets Freude haben an deinen Geboten.
Gebet
Guter Gott, heute Morgen kommen wir zu dir.
Hören auf dein Wort, bitten um deinen Geist,
loben dich mit unserem Gesang und Gebet.
Lass für diese Stunde die Stimmen leiser werden,
die uns im Ohr und im Kopf dröhnen.
Unterbrich unser Selbstgespräch.
Öffne Herzen und Sinne für deine Worte der Verheißung,
die Früchte tragen und unser Leben hell machen.
Lesung: Lukas 8, 4-15
Halleluja
Glaubensbekenntnis
Lied: Herr, dein Wort die edle Gabe, EG 198, 1-2
Predigt
Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es
ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen. Hebräer 4, 12-13
Lebendig, kräftig und schärfer – heute scheint der Predigttext ordentlich anzuheizen. Klare Worte, endlich mal, kein freundlich-schwammiges Darumherumgerede; kein abwägendes „Es könnte so und anders sein“, das immer auch etwas von Gleichgültigkeit, Langeweile und Desinteresse ausstrahlt.
Heute heizt das Wort Gottes ein. Lebendig, kräftig und schärfer.
Das habe ich oft gehört in den letzten Monaten: „Bezieht Stellung, positioniert euch, sagt etwas in der Kirchenleitung zu...“
Meistens waren es Aufforderungen, gegen die staatlichen Corona-Vorgaben Stellung zu beziehen. Die Kirche muss auch mal Kante zeigen. Sie kann sich doch nicht so unkritisch verhalten und einfach machen, was andere ihr sagen.
Hat sie überhaupt noch einen Standpunkt, eine Haltung, eine Vision? Lebt sie noch aus dem Glauben oder hat sie sich längst im Alltag gesellschaftlicher Konvention bequem eingerichtet? Solche Fragen habe ich dahinter und manchmal auch deutlich gestellt gehört.
Es scheint eine Zeit zu sein, in der man durch kräftige Worte seine Erkennbarkeit und sein Profil sichtbar machen muss. Und in der es so viele verschiedene Meinungen gibt, dass deutliche Worte wie etwas Festes und damit Wahres im Meer der Einschätzungen gebraucht zu werden scheinen.
Das ist nicht nur in der Kirche so. Das ist auch in der Politik so. Je klarer, kräftiger und schärfer Worte sind, desto lebendiger erscheinen sie und machen sichtbar, vereindeutigen und vor allem machen darin verantwortlich.
Das finde ich wichtig daran: Je klarer Worte sind, desto eher kann man sie mit den Taten vergleichen. Wird getan, was gesagt wird? Können wir den Worten vertrauen? Oder kreisen Worte mit nebulösen Formulierungen um das Nichtgesagte, so dass man Beruhigung verbreitet und sich später im Zweifel jeder Verantwortung entziehen kann?
„Der einzige Weg zur Glaubwürdigkeit ist der: Sagen, was man tut und dann tun, was man gesagt hat.“ Der Satz stammt von dem ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, der ja auch ein engagierter evangelischer Christ war. Klare Worte ermöglichen anderen, sich daran zu orientieren und sich dazu zu verhalten. Sie sind die Voraussetzung für Vertrauen und gute Beziehung.
„Nichts ist gut in Afghanistan.“ – einer der klarsten Worte kamen 2010 aus dem Mund einer kirchlichen Leitung, der ehemaligen Bischöfin Margot Käßmann in Hannover. Wie viel Kritik hat sie sich damit eingehandelt. Wie mutig und verantwortlich ist sie mit den Taten in ihrem Leben umgegangen. Für viele, auch für katholische Christen, ist sie bis heute darum eine glaubwürdige Zeugin, trotz oder gerade weil sie Fehler, Schwächen und Brüche in ihrem Leben benannt hat – und sich verantwortlich gemacht hat.
Klare Worte brauchen wir; sie müssen nicht verletzen, sie müssen andere nicht abwerten, aber sagen, wozu ich stehe – und wozu nicht. Nur so helfen sie, die Geister zu scheiden. Nur dann entstehen wirkliche demokratische Diskurse, wenn man sich die je eigene Wahrheit und Sichtweise zumutet.
Allerdings: Die Verse aus dem Hebräerbrief geben dem Ganzen insgesamt noch eine andere Richtung:
„Es dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“
Was mir daran auffällt: Die Worte sind eigentlich nicht nach außen gerichtet, sondern nach innen. Es geht nicht nur um die Worte, die ich öffentlich spreche, sondern um die Worte, das Wort Gottes, das ich höre. Und das mich infrage stellt. Meine Seele und meinen Geist scheidet, mein Mark und Bein, meine Gedanken und Sinne. Da wird es ungemütlich. Es gibt Momente, da tut das das Wort Gottes erstmal nicht nur gut und bestätigt. Es ist deutlich und klärt, will klären, will auch mich klar machen.
Und deckt dabei vielleicht etwas auf in mir, das ich gar nicht so gerne sehen möchte.
„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“ Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann ich diesen Vers das erste Mal bewusst gehört habe. Da war ich noch Jugendliche. Aber mit der Erklärung, dass wir – nach Jesu Maßstäben und Verhältnissen – hier alle zu den Reichen gehören, wurde mir die Bedeutung bewusst: Mit meinem Wohlstand, mit meinem Leben, da gehöre ich zu denen dazu, von denen Lukas sagt, dass sie kaum in den Himmel kommen. Ich kann mich nicht mehr genau an die Umstände erinnern, aber ich weiß noch, dass es mir tatsächlich durch Mark und Bein gegangen ist. Ich engagiere mich so – aber eigentlich bin ich weit weg. Glaube und bin aktiv für und in der Gemeinde, aber aus einer unglaublich gesicherten Position heraus. Dieses Wort Gottes hat mich sehr infrage gestellt. Erstmal war ich wütend: Ich kann ja auch nichts für meine Lebensumstände, habe ich gedacht. Das ist ungerecht. Aber dann konnte ich mich der Klarheit der Worte auch nicht entziehen. Mache ich das eigentlich doch nur für mich? Reicht das, was ich tue, auch nur ansatzweise heran an das, was Jesus Nachfolge genannt hat?
Bis heute bleibt diese Spannung in mir, diese Frage….dringt durch Mark und Bein. Lässt etwas offen, hält etwas in mir wach, schießt immer wieder quer, wenn ich meiner selbst zu gewiss werde, macht, dass in den deutlichen, klaren Sätzen, die ich akademisch gut durchreflektiert bilden kann, dass in diesen Sätzen der leise Unterton des Zweifels immer mitschwingt…
Die Kirchen sehen sich im Moment einer großen öffentlichen Aufmerksamkeit und großer Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit entgegengestellt. Sind sie glaubwürdig, wenn sie von der Nächstenliebe sprechen und sich lange so wenig um den sexuellen Missbrauch und den Umgang mit Menschen, die lesbisch oder schwul sind, in ihren Kirchen gekümmert haben? Als evangelische Kirche haben wir uns da immer etwas besser gesehen als die katholische Kirche. Aber auch das gehört zur Wahrheit dazu, zu dem Wort Gottes, das durch Mark und Bein einer Kirche dringt: Auch wenn wir längst um Aufarbeitung und Prävention bemüht sind und beides rechtlich verankern – vor Missbrauchssituationen, vor fehlender Transparenz, vor einer institutionellen Selbstabschließung und vor der Unsicherheit, wie man angemessen mit dem Thema umgeht, davor sind wir in der evangelischen Kirche auch überhaupt nicht gefeit. Und Scham und Schuld darüber, dass Missbrauch in der evangelischen Kirche geschehen ist und geschieht – die sind ja nicht kleiner, nur weil die Zahlen der Betroffenen möglicherweise kleiner sind.
Die Frage der Lebensformen und wer mit wem zusammenleben darf und wer nicht, weil er oder sie als Vertreter*in der Kirche sichtbar ist – auch das war lange, lange in der evangelischen Kirche genauso problematisch. Noch einige meiner Kolleg*innen haben ihre Lebensform geheim gehalten, weil sie nicht erwünscht war und in der Gemeinde zu großem Aufsehen geführt hätte – und das ist noch keine zwei Jahrzehnte her.
Das Wort Gottes scheidet Mark und Bein. Wir sollten uns eingestehen: Manchmal kommt das Wort Gottes eben nicht durch uns als Kirche zu den Menschen, manchmal werden der Menschen Worte Fragen, Klagen, auch Anklagen Worte Gottes für uns, die uns schneiden wie ein zweischneidiges Schwert. Und die sehr genau sehen können, was muss sich ändern, was sollte geschehen, wie kann es weiter gehen?
Sie ermöglichen Veränderung, weil sie mir eine andere Sicht, einen anderen Blick zur Verfügung stellen. Für mich ist das die eine gute Nachricht, die aus diesen so deutlichen Worten spricht. Und die andere?
„Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.“
Vor den Augen Gottes aufgedeckt sein, da geht es dann nicht nur um die Klarheit eines Augenblicks. Wie die Augen Gottes sehen, das stelle ich mir anders vor. Gottes Augen – so glaube ich – sehen uns nicht nur im Moment. Sie sehen, wie wir geworden sind, von Anbeginn an. Vom ersten Atemzug. Sehen unsere Geschichte, unsere Entwicklung, sehen unsere Begabungen und unsere Begrenzungen. Unsere Weite und unsere Enge, unsere Hoffnung und unsere Not. Die Augen Gottes, das glaube ich, schauen nicht strafend, sondern verstehend, nicht mit dem Ziel zu richten und zu verurteilen, sondern zu retten und zu heilen.
„Schaue gnädig auf unser Kind, das wir dir einst in der Taufe gebracht haben…“ – auch dieser Satz begleitet mich schon ein Leben lang. Er ist Teil eines Gebets, das meine Mutter aufgeschrieben hat anlässlich meiner Konfirmation.
Seitdem sind die Augen Gottes für mich mit dieser Gnade verbunden. Mit einem Blick, der uns nicht durchbohrt, sondern über uns wacht, der uns erkennt, besser als wir uns selbst erkennen können, der uns leitet und führt. Nicht um uns vor den Richterstuhl zu verurteilen, sondern um uns zur Klarheit zu verhelfen und zu einem Leben, das frei und lebendig sein kann.
Lied: Schenke mir Gott ein hörendes Herz, EG+ 140
Fürbittengebet
Gott, du hast uns versprochen uns zu hören, wenn wir zu dir reden.
Wir beten zu dir und bringen vor dich, was uns bewegt.
Wir hören die Worte der Politiker*innen aus Europa, den USA und Russland, die immer beschwörender werden. Warnungen an politische Führungen, Mobilmachungsaufrufe an Kämpfende. Wir sitzen da, schauen zu, warten ab – und können nur bitten:
Um Frieden, dass der nächste Schritt nicht mit Waffen, sondern mit Worten und Diplomatie gegangen wird,
um den Willen zur Einigung auf allen Seiten, um Kraft für die Verantwortlichen, sich noch einmal und wieder zu Gesprächen an den Tisch zu setzen,
um Schutz für die Bevölkerung und Ruhe in ihren Herzen.
Wir bitten dich für Menschen, die schweigen, weil sie Angst haben, kleingemacht zu machen,
in Betrieben, in Schulen, in der Gesellschaft.
Höre du sie, stärke sie, stellen ihnen Menschen an ihre Seite, die für sie eintreten.
Gott, wir bitten dich für uns, wenn wir schweigen, wenn Scham und Schuld uns im Magen und auf der Seele liegen. Wenn dein Wort uns durch Mark und Bein geht, Gott, dann wende deinen Blick nicht von uns, höre du uns zu, schaue du schaue gnädig auf deine Menschenkinder und lass uns uns in deinen Augen neu sehen.
Wir bitten dich für uns als Gemeinschaft von Christinnen und Christen. Es gibt Zeiten, da trägt dein Wort der Verheißung erst Früchte, wenn wir auf die Worte von außen hören. Gib uns offene Ohren hinzuhören und offene Augen hinzusehen.
Vater unser
Abkündigung
Lied: Bewahre uns Gott, EG 171
Sendung und Segen
Und nun geht hin, stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie. Sagt den verzagten Herzen seid getrost, fürchtet euch nicht. Seht, da ist unser Gott.
Gott segne dich und behüte dich. Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Gott erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Orgelnachspiel
OKR´in Dr. Melanie Beiner, Kirchenverwaltung der EKHN, Paulusplatz 1, 64285 Darmstadt, Mail