Fast lückenlos leiten die Eindrücke des Tages zu unserer Verabredung am Freitag über. Dagmar Lieblova ist eine der letzten Überlebenden von Theresienstadt. Betont sachlich berichtet Frau Lieblova von ihren Erfahrungen mit den Besetzern, die sie und ihre Familie im Alter von 10 Jahren nach Therezin gebracht und weiter nach Auschwitz deportiert haben. Nur auf Grund eines Tippfehlers in einer Liste konnte sie den Klauen der Vernichtungsmaschine entrinnen und nach Kriegsende und dem Tod ihrer gesamten Angehörigen ein neues Leben beginnen. Besonders interessant war für uns ihre Antwort auf die Frage, ob sie von der künstlerischen Seite des Lagers etwas mitbekommen hat: „Ja, ich habe bei Brundibar selbst mitgemacht!“ Da wir uns im Vorfeld mit dieser Kinderoper von Hans Krasa durch einen Vortrag beschäftigt hatten, waren wir mit ihren Inhalten vertraut. Dass sie, als Tschechin, der alles Glück von den Deutschen genommen wurde, uns in der Sprache der Täter so freundlich und entgegenkommend alle unsere Fragen beantwortete, erschien uns nach ihrem Schicksal unbegreiflich. Als bewegend empfinden wir immer noch ihr Anliegen, ihre Botschaft von der Echtheit der Verbrechen weiterzugeben und Mitmenschen aufzuklären.
Der Nachmittag stand für den Besuch verschiedener Museen offen, während die „Büchernarren“ den gebürtigen Prager Franz Kafka besuchten und über die Karlsbrücke flanierten, beschäftigte sich der Rest der Gruppe mit der Geschichte Tschechiens nach 1945 unter der sowjetischen Fahne oder mit shoppen. Das Kommunismus-Museum hinterließ einen bleibenden Eindruck mit Details über den Prager Frühling, die Selbstverbrennung Jan Pallachs und Filmaufnahmen von den Panzern im Jahr 1968 auf dem Wenzelsplatz.
Der Abend stand nochmals im Schein der Menora, die pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit den „Kabballat Shabbat“-Gottesdienst in einer jüdisch-liberalen Synagoge eröffnete.Die ungewohnte, aber dennoch angenehme Integration in die Gemeinde durch singen Hebräischer Verse und Lieder gefiel uns sehr gut. Sehr positiv bleibt ebenfalls die Einladung zum anschließenden Beisammensein und einer angeregten Unterhaltung in Erinnerung.
Unseren letzten Abend verabschieden wir in Form eigener Partyerfahrungen im Hostel oder auswärtig. Nach einer morgendlichen Abschlussrunde und dem Feed-back der Fahrt müssen wir uns widerwillig in unsere Gefährte gen Heimat begeben und geraten bei ausgelassener Stimmung an der Tschechisch-Deutschen Grenze in einen Schneesturm, bevor wir spät abends sicher nach Bad Nauheim zurückkehren.
Wann werden wir zurückkommen, um auf der Moldau Tretboot zu fahren -„Maybe yesterday?“
Noch lange werden wir uns an diese bewegende Fahrt erinnern, die uns wie alle vorherigen Reisen auch an Erfahrungen reicher und offen für neue Standpunkte machte.
Děkují Susanná* et Friedelmóv
Na shledanou Praha!
*Das Redaktionsteam bedankt sich bei Susanne und Klaus für die freundliche Bewirtung mit warmen Getränken während der Sitzungen.
Außerdem geht ein riesiges, herzliches Dankeschön für die finanzielle Unterstützung dieser traumhaften Herbstfahrt an den Kreis Wetterau!
Von Judith Pieper und Vera Bornkessel